Das Zwiegespräch – Eine Version für Eltern

Blogbeitrag - Zwiegespräch Version für Eltern

In diesem Beitrag geht es um den meiner Ansicht nach wichtigsten Grund dafür, dass Eltern sich in ihrer Partnerschaft entfremden. Außerdem stelle ich euch eine abgewandelte Version der Methode “Zwiegespräch” vor, die euch dabei helfen kann, miteinander vertraut zu bleiben.

Manche Paare, die zu mir in die Beratung kommen, stehen kurz vor der Trennung. Und in den meisten Fällen ist es so, dass der eine den anderen mit der Entscheidung sich zu trennen dem Anschein nach vollkommen überrumpelt hat.

Der Gedanke an eine Trennung erscheint plötzlich, aber wenn diese Paare ehrlich zu sich sind, sehen sie, dass es schon längere Zeit eine “Kluft” zwischen ihnen gibt. Dass sie auf engstem Raum zusammengelebt haben, ohne zu wissen, was den anderen wirklich bewegt.

Wann habt ihr euch zum letzten Mal richtig unterhalten? Und damit meine ich nicht, wann ihr über Erziehungsfragen diskutiert oder abgesprochen habt, wie ihr die nächste Woche planen wollt.

Sondern darüber, was euch bewegt und was ihr erlebt habt? Wie ihr eure aktuelle Lebenssituation empfindet? Welche Vorstellungen ihr von der Zukunft habt, wovon ihr träumt? Was ihr euch für eure Partnerschaft wünscht?

Wann habt ihr euch das letzte Mal im Gespräch gegenseitig richtig wahrgenommen und euch eure volle Aufmerksamkeit geschenkt?

Wie viel Zeit nehmt ihr euch für ein Gespräch, in dem es wirklich nur um dich oder deinen Partner geht?

Was passiert, wenn wir uns als Paar nicht mehr wirklich austauschen

Gerade als Eltern sind wir oft so sehr mit den Kindern, der Organisation des Familienalltags und unseren eigenen Dingen beschäftigt, dass wir uns kaum mehr Zeit für unseren Partner und unsere Partnerschaft nehmen. Wenn wir miteinander sprechen, dann vor allem über praktische Dinge des Alltags: wer das Auto in die Werkstatt bringt oder wer wann wie einen Abend für sich organisieren kann.

In den Hintergrund gerät dagegen das Interesse am Partner, an seinem Erleben, an seinen Gedanken. An all dem, worauf wir zu Beginn der Beziehung so neugierig waren. Ob das daran liegt, dass wir (fälschlicherweise) annehmen, schon alles über unseren Partner zu wissen?

Ein Paar, das nicht miteinander spricht, verlernt sich kennen (M. L. Moeller)

Nicht selten haben wir feste Annahmen über unseren Partner, die wir nicht mehr hinterfragen. Vielleicht glauben wir, seine Reaktionen vorhersehen zu können. Oder wir interpretieren ineinander hinein, anstatt nachzufragen und genau hinzuhören.

Möglicherweise behalten wir Dinge, die uns beschäftigen, für uns – aus Zeitgründen oder weil wir annehmen, nicht die notwendige Aufmerksamkeit dafür zu bekommen oder nicht verstanden zu werden. Vielleicht schämen wir uns auch für manche unserer Gedanken und sprechen sie aus Angst vor Ablehnung nicht aus.

Wenn der Austausch “über uns” in der Partnerschaft fehlt, verlieren wir schleichend den Zugang zueinander. Und obwohl wir schon lange zusammen sind und glauben, uns in- und auswendig zu kennen, erscheint unser Partner immer schemenhafter.

Je weniger wir unser Empfinden, unsere Gedanken und Bedürfnisse austauschen, desto weniger kann unser Partner darauf eingehen und desto weniger können wir uns miteinander abstimmen.

Wenn wir dann das Gefühl haben, zu kurz zu kommen, passiert es schnell, dass wir mit Frust und Enttäuschung reagieren, statt unseren Partner aufzuklären und in unsere Gedankenwelt mitzunehmen. Und die daraus resultierende schlechte Stimmung sorgt für noch weniger oder destruktive Gespräche.

Den Kontakt zueinander halten – Das Zwiegespräch

Ich empfehle allen Paaren, die zu mir kommen, das von der Paartherapeutin Celia Fatia und Michael Lukas Moeller entwickelte Zwiegespräch. Allerdings in einer abgewandelten Form für Eltern mit kleinen Kindern. Fatia und Moeller schlagen eine Gesprächsdauer von eineinhalb Stunden für das Zwiegespräch vor, was durchaus seine Berechtigung hat. Aber da ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schwierig es ist, diese Zeit zu finden, ohne von den Kindern abgelenkt zu werden oder während des Gesprächs einzuschlafen, finde ich einen Zeitraum von 20 Minuten pro Woche in dieser Lebensphase passender.

Welche Regeln gelten beim Zwiegespräch?

  • Vereinbart einen festen Termin pro Woche, der für euch beide gut passt und den ihr auch wirklich einhalten könnt.
  • Achtet darauf, dass ihr in dieser Zeit nicht gestört werdet.
  • Jeder von euch hat 10 Minuten, um den anderen an seiner Gedankenwelt teilhaben zu lassen.
  • Nutzt eure Gesprächszeit aus. Wenn euch nichts mehr einfällt, wird einfach geschwiegen.
  • Sprich nur über dich selbst oder darüber, wie du die Partnerschaft wahrnimmst. Vorwürfe und Du-Botschaften gehören nicht in euer Zwiegespräch.
  • Bist du als zweiter dran, gehst du nicht darauf ein, was der andere gesagt hat, sondern sprichst ebenfalls nur über dich.
  • Wenn du zuhörst, höre in dieser Zeit wirklich nur zu und versuche, dich auf die Gedankenwelt des anderen einzulassen. Versuche auch keine Fragen zu stellen, außer, wenn es wirklich deinem Verständnis dient.
  • Auch wenn es dir schwerfällt: Versuche die Wirklichkeit des anderen anzunehmen. Es ist nicht immer einfach, diese so stehen zu lassen, vor allem, wenn sie stark von deiner eigenen abweicht. Aber sowohl deine als auch die deines Partners oder deiner Partnerin haben ihre Berechtigung.

Welche Wirkung haben Zwiegespräche?

Im ersten Moment wirkt diese Art sich miteinander zu unterhalten vielleicht künstlich für euch. Ich empfehle euch aber sehr einen Versuch, denn die Gespräche wirken auf vielfältige Weise:

  • Dadurch, dass ihr euch für dieses Gespräch einen festen Termin nehmt, dem ihr vor allem anderen Priorität einräumt, gebt ihr dem Austausch zwischen euch, dem Interesse-Zeigen-am-Anderen und dem Sich-wirklich-zeigen, einen sehr hohen Stellenwert und zeigt damit: meine Beziehung ist mir wichtig.
  • Wenn wir Gedanken und Bedürfnisse aussprechen, werden Sie uns oft klarer, als wenn wir sie alleine in unserem Kopf vor uns hinjonglieren. Wir kommen dadurch möglicherweise noch näher an unsere Bedürfnisse heran.
  • Manche Menschen kommen eher schwer mit ihren Gefühlen in Kontakt. Das Zwiegespräch ist eine gute Möglichkeit, in sich hinein zu spüren, diese Gefühle zu erforschen und zu lernen, damit umzugehen.
  • Je offener wir zueinander sind, je neugieriger aufeinander wir sind, desto mehr werden wir erkennen, wie unterschiedlich wir sind. Und wir werden feststellen, dass die Annahmen, die wir übereinander haben, nicht unbedingt stimmen. Dass ist die Basis dafür, dass wir uns wieder “abstimmen” können
  • Indem wir uns mitteilen, auch mit unseren Ängsten und Schwächen, kommen wir uns näher, denn wir geben unserem Gegenüber die Chance mitzuempfinden.
  • Dadurch dass in eurem Gespräch auch euer jeweiliges Empfinden der Beziehung zur Sprache kommt, werdet ihr vielleicht auch feststellen, wie jeder von euch mit seinem eigenen Verhalten auch am Verhalten des anderen beteiligt ist.
  • Wenn wir Zwiegespräche führen, nehmen wir als Paar das Steuer wieder in die Hand. Wir suchen miteinander nach Orientierung im Sturm des Familienalltags und nehmen nicht passiv hin, dass unsere Beziehung auseinander bricht.

Literaturtipp: Michael Lukas Moeller: Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch.